Der Fußball und sein Verein: wofür benötigt Kirche Strukturen?

„Diese neuen Strukturen sind so groß, damit werden wir niemanden begeistern!“ Eine vielgehörte Klage. Mir begegnet sie häufig in der Arbeit mit Gremien und ich möchte gerne mit einem Beispiel darauf reagieren.

Können Sie sich folgendes Gespräch mit einer guten Freundin oder einem Nachbarn vorstellen?

„Mensch, ich habe einen so wunderbaren Fußballverein gefunden und bin richtig glücklich dort!“ – „Das ist ja prima. Was gefällt dir denn daran so gut?“ – „Die haben so tolle Strukturen und eine professionelle Vorstandsarbeit, dass mich das richtig anzieht!“

Das klingt ein wenig weltfremd. Wieso ist jemand von seinem Sportverein begeistert? Hierzu fallen mir mehrere mögliche Gründe sein:

  • Die Person hat Freude und Spaß an dem, was dort stattfindet, also am Fußballspielen.
  • Sie trifft Menschen, mit denen sie die eigene Leidenschaft teilen kann und die sie gerne trifft.
  • Es gibt Trainer*innen, die für den eigenen Sport brennen, professionell trainieren und andere begeistern können.

Noch nie hat mir jemand von Strukturen berichtet, die so „sexy“ seien, dass man sich dort engagieren möchte. Engagement kommt aus der „Hauptsache“ heraus, also aus dem Bedürfnis, ein Vereinsleben zu unterstützen. Strukturen sind in einem Fußballverein kein Selbstzweck.

Was würde nun passieren, wenn sich die Gesellschaft verändern würde, so dass Spielerinnen, Zuschauerinnen und Mitglieder wegblieben? Was würde ein Fußballverein verändern?

Er würde legitimer Weise seine Strukturen verändern, damit er überlebensfähig bliebe. Aber dann wäre er gut beraten, sich sein Produkt, das Fußballspiel, anzuschauen und zu überlegen, wo da der Hase im Pfeffer liegt. Strukturreformen dienen dazu, eine Handlungsfähigkeit beizubehalten oder wieder herzustellen, damit Grundlegendes angeschaut und reformiert werden kann. Die Strukturreform als einem ersten Schritt darf nicht verwechselt werden mit der Reform der Inhalte.

Wenn wir nun diesen Vergleich (ja, er hinkt, wie alle Vergleiche, aber er geht auch) wieder auf die Kirche übertragen, stellen sich einige Fragen:

  • Wie können wir (wieder) zu begeisterten und strahlenden Christ*innen werden? (und ich sehe dabei das Basketballfeld in der Kleinstadt meiner Jugend vor mir, wo junge Menschen stundenlang alleine mit sich und dem Ball trainiert haben, aus Freude am Spiel, aus eigener Motivation heraus).
  • Erst im zweiten Schritt können wir uns dann die Frage stellen, wie wir mit Feuer und Flamme unseren Glauben nach außen tragen können? (und ich gebe zu, dass es heutzutage schwieriger geworden ist, von anderen als ein Vorbild wahrgenommen zu werden, da sich viel Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Mitmenschen, sondern auf Kopfhörer und Displays richtet).
  • Wo holen wir uns die Kraft und den Rückhalt, unser Christ-sein leben zu können? Was ist unsere Grundlage, unsere Basis, unsere Quelle? (und damit auch: wo sind unsere Trainings-Camps?)
  • Wo können Menschen zusammen kommen und sich treffen, die eine gemeinsame Grundlage haben und die offen sind für andere Menschen guten Willens?
  • Wie können Hauptamtliche so arbeiten, dass sie inspirieren und begeistern können?

Anmerkung: Vergleiche sind immer „unterkomplex“ und werden der Realität nicht gerecht. Aber vielleicht hilft das Fußball-Beispiel ja, den Fokus neu zu justieren. Strukturen sind nur Hilfsmittel. Die Debatte, worum es im Kern geht, wird mir leider noch viel zu selten geführt.

 

Foto: Paul Debus


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