„Fusion“, so nennt man landläufig den Zusammenschluss von Kirchengemeinden. Wer ist eigentlich auf die Idee dieses Begriffs gekommen? Vielleicht ein Fan der gleichnamigen Musikband (Werbeslogan „Kirche rockt“) oder ein Käufer des gleichnamigen Autos von Ford (von wegen Ford-Entwicklung der Kirche …).
Nein, vermutlich ein wirtschaftlich geschulter Organisationsberater, der dabei an den Zusammenschluss von Unternehmen gedacht hat. Wer Kirchengemeinde als Organisation denkt, liegt damit ja auch nicht ganz falsch.
Plastisch illustriert wird der Begriff durch einen Blick in die Chemie: hier beschreibt die Fusion die Verschmelzung zweier Atome nach deren Aufspaltung. Es entsteht etwas Neues, wünschenswerterweise ein mit mehr Energie geladenes Atom – so funktionieren Kernkraftwerke. Mehr Energie durch Fusion – das klingt gut.
Aber bei einer Gemeindefusion ist es wie bei einem AKW: Der Preis ist hoch, die Gefahr beachtlich, der bei der Fusion entstandene Müll ein lange Zeit strahlendes, die Umwelt belastendes Problem.
Und so wie die Unternehmensfusion immer einen Kaufpreis kennt, ist der Preis auch für die chemische Fusion klar: Jedes der verschmelzenden Atome verliert nicht nur seine Eigenständigkeit, sondern es hört auf zu existieren.
Warum aber hat es viele hundert Fusionen gebraucht, um zu merken: Der Begriff taugt nichts. Die Menschen erleben genau das, was der Begriff Fusion beschreibt. Und das wollen sie nicht.
Denn eine Kirchengemeinde ist auch, aber nicht nur eine Organisation. Sie ist eine soziale Organisation und die Akteure haben keine mechanische oder atomare, sondern eine soziale Identität. Da ist wieder die „Übernahme“ noch die „Verschmelzung“ eine erstrebenswerte Realität. Es muss doch möglich sein, dem organisatorischen und rechtlichen Vorgang durch ein besseres Bildwort eine andere Konnotation und damit eine anderen Wirkung zu geben.
Ich kaufe den Verantwortlichen in den Führungsetagen der Diözesen ab, dass es Ihnen – mehr und mehr – um Kirchenentwicklung geht, wenn sie von Zusammenschlüssen reden. Ich bin ein Freund davon. Aber, bitte: Nutzt nicht mehr diesen Begriff dafür. Ich muss nämlich gar nicht theologisch oder pastoral argumentieren („Jesus, der Menschenfreund, hätte das nie gemacht …“). Ich muss nur das Wort einmal genauer anschauen um zu merken: Das passt nicht. Man kann soziale Einheiten nicht fusionieren.
Letztens habe ich einen Wein gekauft. Er heißt „Fusion“ und ist ein Cuvée. Das hat mich auf eine Idee gebracht, die ich mit Augenzwinkern vortrage:
Ein Cuvée ist ein Wein, der aus verschiedenen Weinsorten und/oder Weinlagen besteht. War so ein Wein früher praktisch für die Resteverwertung oder zur Aufbesserung isoliert schlechterer Weine, so ist ein Cuvée inzwischen durchaus ein Qualitätsbegriff. In einen Cuvée gibt sich jeder Wein hinein, bleibt aber als eigenes Gewächs erkennbar – je besser der Cuvée, desto mehr. Die Eigenschaften der einzelnen Partien ergänzen einander. Aber eine optimal zusammengeführte Cuvée schmeckt besser als jede Partie für sich.
Wie wäre es also, statt von Fusion demnächst von Cuvée zu sprechen? Also nicht mehr: „Die Kirchengemeinden St. Agnes, St. Bartholomäus und St. Cyprian fusionieren.“ Sondern: „Die Kirchengemeinden St. Agnes, St. Bartholomäus und St. Cyprian mischen sich zu einer Cuvée.“
Na, macht das einen Unterschied? Behalten Sie ihn im Blick.
Was soll ich noch sagen: Der Wein hat ganz gut geschmeckt.