Gedanken zur Leitung in Pfarrei und von Gemeinde durch hauptberufliche Laien

Zugegeben, es war nicht der Papst, der mich unerwartet anrief. Aber der Personalchef meines Bistums. Ob ich zur Konferenz der Personaldezernenten der deutschen (Erz)Diözesen kommen könnte. Am nächsten Tag. Nach Berlin. Ihnen sei jemand ausgefallen, der etwas zur Leitung in Pfarrei aus Sicht eines Pastoralreferenten sagen würde. Und ich hätte da doch Erfahrung und könnte auch was zur Auswirkung auf die Identität des Berufsstandes sagen. Ähm, ja, also, klar.

Und so saß ich keine 24 Stunden später im Militärbischofsamt inmitten des Konferenzgeschehens. Ich war positiv bewegt von der ehrlichen Suche der Personalverantwortlichen und von der Ehrlichkeit, das Problem nicht nur strukturell, sondern auch ekklesiologisch anzugehen, im Kontext einer Kirche in der Welt von heute. Was ich erlebt habe, würde ich so auf den Punkt bringen: „Es geht mit dem bestehenden System nicht weiter. Nur anders. Aber wie?“

Und das war mein Beitrag dazu – für unseren Blog im folgenden ausbuchstabiert:

Die Stunde der Laien?

Es ist ein gutes Zeichen, dass im Nachdenken über neue Formen der Leitung in der Pfarrei nicht nur über die Rolle und Identität des (Weihe)Priesters nachgedacht wird, sondern auch die Berufsgruppe der hauptberuflichen Nicht-Kleriker mitgesehen ist. Denn, ja, das Thema hat eine Bedeutung für Rolle und Identität hauptberuflicher Laien im pastoralen Dienst:

Die „Instruktion über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“ aus dem Jahr 1997 wurde als große Enttäuschung und Demütigung aufgenommen. Jedes Aufflackern einer Communio-Orientierten Lesart von Konzil und Synode wurde in der Wahrnehmung vieler in meiner Berufsgruppe zerstört. Das Trennende wurde sehr betont. „Mitarbeit ist möglich“, steht dort, „kann aber den geweihten Priester nicht ersetzen.“

Umso mehr reibt man sich beim Dokument der Deutschen Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“ (2015) verwundert und sogar irritiert die Augen. Wo kommt das denn auf einmal her? Es heißt dort unter der Überschrift „Leitung in der Kirche hat viele Gesichter“: „Es gibt in der Kirche Männer wie Frauen, die ausdrücklich als Laien einen kirchlichen Leitungsdienst ausüben.“

Dieser Hintergrund ist nicht unwichtig, wenn man mit meiner Berufsgruppe ins Gespräch über das Thema Leitung kommt. Denn man traut dem Bratengeruch nicht, möchte zumindest den Braten mal sehen, den man da vorgesetzt bekommen soll. Manche sagen auch: Ohne die Personalverknappung im geweihten Amt und dem gesellschaftlichen Relevanzverlust der Institution Kirche wäre diese Öffnung nicht gekommen. Es ist keine geistgewirkte Haltung. Oder zumindest nicht von seinem Geist. Oder aber Gott hat einen interessanten Humor, wenn er diesen Anweg nimmt, um zur Pointe zu gelangen.

Wenn über Leitungsformen in Pfarreien nachgedacht wird, dann nehme ich verschiedene Reaktionen in meiner Berufsgruppe, aber auch unter Laien insgesamt (also die sogenannten „Ehrenamtlichen“ eingeschlossen), wahr:

Da sind manche, die entsetzt zurückweichen ob der sich auftuenden Möglichkeit, die eigene Identität und Professionalität stärker in den Leitungsdienst einzubringen. Es war ja auch bequem, es nicht zu tun und vielleicht sogar lustvoll, mehr oder minder offen über die nicht leitungsfähige Priesterkaste zu lästern. Es gibt auch die, die Sorge haben, in eine Aufgabe gehen zu müssen, die ihnen nicht liegt und sie überfordern könnte. Muss jeder Laie Leitung „können“? Darf man das Angebot auch ablehnen, ohne gleich als nicht-auf-der-Höhe-der-Zeit-seiend dazustehen? Manche wehren sich auch, weil sie ahnen, nur ein Ersatz, eine Kompensation zu sein, und nicht wirklich gewollt. Es gibt die, die sagen: „Jetzt zeigen wir es denen mal“ und diejenigen, die – den Hinweis auf die Klerikalisierung weit von sich weisend – sagen „Laien sind eh die besseren Priester“.

Ich bin seit 2004 im pastoralen Dienst. Von früheren Verteidigungs- und Angriffsgefechten höre ich nicht mehr als das Echo eines Grundrauschens. Mir gefällt die Aussage in „Gemeinsam Kirche sein“: Wir müssen die Kirche nicht retten. Das macht ER selber. Wir dürfen mittun und sollten unseren Verstand und unser Herz darauf richten, uns zu fragen, wie wir das am besten tun können.

Ich kann davon erzählen, was ich als Teil des Leitungs- und Entwicklungsteams in der Pfarrei Sankt Mauritz in Münster miterlebt habe.

Leitungsdienst in einer Pfarrei

Im Jahr 2013 gründete sich aus vier bis dahin rechtlich eigenständigen Kirchengemeinden die Pfarrei Sankt Mauritz. Wir sprachen und sprechen ganz bewusst von „Gründung“ und nicht von „Fusion“, weil der soziale Prozess herausgestellt sein sollte.

Im Pastoralkonzept verankerten wir ein Strukturbild von Pfarrei, dass sich auf den Satz bringen lässt: „Wir haben keine Zentrale, wir haben Zentren.“ Kirchorte nennen wir diese Zentren. Fünf davon haben wir eingerichtet. Fünf bei vier Gründungspfarreien – wir haben uns nämlich davon leiten lassen, wie der Sozialraum unserer neuen Pfarrei aussieht. Denn es geht nicht um eine Verlängerung eingeübter, vielleicht eingefahrener Muster, sondern um einen neuen Anfang.

Im Seelsorgeteam haben wir uns gefragt, wie wir in diesem neuen Anfang seelsorgerische Präsenz an den Kirchorten gewährleisten können und das Leben und die Sendung vor Ort unterstützen. Leiten (!) lassen haben wir uns dabei nicht von der Struktur, sondern vom Auftrag der Kirche, nicht von Rollen oder Ämtern her, sondern von den Aufgaben im Dienst in einer Pfarrei, die gemeindlich-christlichem Leben einen guten Rahmen schaffen soll.

Wir haben deshalb die Rolle des Koordinators am Kirchort eingerichtet, die damals zwar nicht einzigartig in unserem Bistum, aber meiner Wahrnehmung nach nirgendwo sonst so explizit benannt worden war. Koordination am Kirchort heißt: Ansprechbarkeit, Dinge klären (was auch beinhaltet, Entscheidungen zu treffen), das pastorale Profil mitentwickeln, Personalführung, Mitberatung in Bausachen, bereitgestellte Finanzmittel verwalten.

Wir haben damals sehr bewusst nicht von Gemeinde gesprochen. Zu groß erschien uns die Versuchung, dass Menschen sagen: „Dann bleibt ja alles, wie es ist.“ Denn wir wollten Kirchen-Entwicklung, eine Verheutigung von Kirche, ein Aufbrechen aus verkrusteter bürgerkirchlicher Fixierung.

Wir haben auch sehr bewusst nicht von Leitung gesprochen, weil wir die Reaktionen darauf innerhalb und außerhalb der Pfarrei nicht einschätzen konnten. Denn allein das Wort reizt. Wir hätten immer miterklären müssen, aber vielleicht nicht immer können, wie wir Leitung hier verstehen: Leitung wird übergeben, nicht genommen, sie hat Kompetenzen, Macht und Einfluss, wird aber kollegial ausgeführt und ist immer Dienst. Jede Erklärung hätte immer nach Rechtfertigung geklungen. Deswegen erfolgte eine Güterabwägung: Der Begriff „Leitung“ macht es klarer, strahlt aber vielleicht zu stark. Den Begriff „Koordinator“ konnten wir verantworten.

Ja, richtig: Es geht um Gemeinde und um Leitung. Aber beide Begriffe meinen etwas anderes, als klassisch konditioniert. Unsere Überlegung war: Lasst uns weniger in diesen Begriffen reden, die Menschen Erfahrungen mit einer neuen Weise von Pfarreiaufbau machen lassen, dann können wir die Begriffe in ein paar Jahren neu entdecken.

Wer übernahm die Kirchortkoordination? Das konnte im Pastoralteam offen besprochen werden. Wir haben im Team danach geschaut, wer so eine Aufgabe machen kann und möchte – und zwar nicht als Selbsterwählung, sondern in einem gemeinsamen Unterscheidungsprozess. Die Zugehörigkeit zu Berufsgruppen spielte keine Rolle. Dabei waren uns die Unterschiede in den Berufungen keineswegs egal. Aber sie gaben keine (Denk-)Strukturen vor.

Dass dann unter der Leitung des Pfarrers zwei Priester, ein Diakon und zwei Laien im Hauptamt in die Kirchortkoordination gingen war also kein Proporz und auch keine Kirchenpolitik, sondern besprochene, reflektierte und auch im Gebet dem HERRN hingehaltene Entscheidung.

Eine günstige Voraussetzung für die Akzeptanz der Rolle im Team war, dass in der Zusammenschau von Aufgaben einerseits und Charismen andererseits jede und jeder im Team für sich Aufgaben finden konnte, die sie/ihn erfüllten. Und da wir im Team die Kirchortkoordination nicht zu einem „höheren Dienst“ machten, sondern zu einem Dienst unter Diensten auf gleicher Ebene unterhalb des leitenden Pfarrers, entstand keine neue Hierarchie.

Uns war aber bewusst, dass wir die Entscheidung für so ein Modell erklären und Menschen mitnehmen müssen. Denn manche Menschen waren sehr irritiert, weil es nun Priester gab, die auf einen Laien als bevollmächtigten Ansprechpartner verwiesen, wenn es z.B. bei der Pfarrheimbelegung etwas zu entscheiden gab oder mit dem Küster zu sprechen sei, weil dies und das vorgefallen war. Andere störten sich daran und fanden die „heilige Ordnung“ missachtet, andere witterten den Beginn der Regentschaft der Laien, die aber ja gar nicht unsere Intention war. Die Entscheidung für dieses Modell war die Entscheidung für eine lebendige Kirche, die in der Spannung zwischen XXL-Pfarrei und der Maxime „Seelsorge mit Gesicht erhalten und die Dinge vor Ort klären“ einen Veränderungsbedarf bestehender Muster brauchte. Wir wollten keine Revolution oder Revolte, aber eine Reform bzw. Evolution.

Erfahrungen als Kirchortkoordinator

Ich war einer dieser Kirchortkoordinatoren. Was machte nun den Unterschied in meiner beruflichen Identität? Denn Leitungsverantwortung hatte ich auch vorher schon. Ich habe die Firmvorbereitung geleitet und verschiedene Gruppen, ich habe Menschen geistlich begleitet. Ich war auch einige Jahre Geistliche Verbandsleitung in einem Jugendverband und damit Dienstvorgesetzter für Angestellte und mitunter maßgeblicher Entscheider für die Verbandspolitik und -entwicklung.

Ich fühlte mich nun auch in der Pfarrei mit meinem „personalen Angebot“ gesehen. Ich fühlte mich nicht besser als vorher, nicht mächtiger, aber stärker. Ich konnte in der Pfarrei mehr von dem tun, was ich kann. Denn, ja, ich bin bereit Verantwortung zu übernehmen, bin bereit nach vorne zu schauen, gehe Problemen nicht aus dem Weg, biete meine Wahrnehmungen an, habe Ideen für Entwicklung, bin gerne im Kontakt mit Menschen. Manche sagen: Das sind Führungsqualitäten. Meinetwegen. Wenn es dafür einen Platz im Leitungsdienst der Kirche in einer Pfarrei gibt. Warum nicht?

Was für das Gelingen dieses Konzepts eine Rolle spielt und meiner Meinung nach ein Kriterium zu sein hat: Mir sind pseudo-priesterliche Tendenzen fremd. Seit einem Erweckungserlebnis vor einigen Jahren bin ich da auch geläutert. Ich formuliere es für mich so: Ich bin voller Freude Christ und spüre die Gnade, die Gott mir schenkt. Mein Apostolat ist die Ehe, meine Berufung die Begleitung von Menschen in Entwicklungsprozessen, auch in ihren Organisationen.

Wie sind die Menschen nun mit unserer Aufgabenorganisation umgegangen? Gut. Sie haben es verstanden und sie haben sich mit uns auf einen Lernweg gemacht. Der hatte Umwege und Klippen, Gräben, Pfützen und Blumenwiesen.

Mit Blick auf die Zuständigkeit in der Pfarrei waren wir im Team damals klar und auch immer wieder im Gespräch. Eingriffe in die Kirchortkoordination gab es nicht. Wenn ein Mensch meinte, zum Pfarrer gehen zu müssen, verwies der wieder zurück oder klärte die Sache im Dreieckskontakt.

Aber es gab und gibt zwei Knackpunkte:

Leitung von Gemeinde bedeutet alltägliche Begleitung von Menschen. Und die braucht Nähe. In meinem Fall ein Problem: auch mit anderen Aufgaben im Bistum vertraut und mit der Familie als meinem ersten Bezugssystem außerhalb des Kirchorts wohnend, konnte ich das nicht ausreichend einholen, es bliebt zumindest eine Spannung. Zwar darf man der „Herde“ mehr Eigenständigkeit zutrauen und keine falsche Abhängigkeit vom Hauptamt gleich welcher Form. Aber Wertschätzung kann man sich nicht selbst geben und Interesse durch Emails kommt an Grenzen. Wenn Papst Franziskus m.E. zu Recht davon spricht, dass man als Seelsorger den „Stallgeruch der Schafe“ kennen sollte, so konnte ich dem kaum gerecht werden.

Das zweite Problem ist hausgemacht: Die Kirche hat über lange Zeit den Menschen eingebläut, das Amt liegt beim Priester. Wer das eucharistische Hochgebet – Mission Statement unserer Kirche – mitbetet, betet um die Fürsorge Gottes für die Leitungsdienste der Kirche: Papst, Bischöfe, Priester, Diakone – und dann die anderen. Wie aber soll man ein anderes Verständnis von Mitverantwortung einspeisen, wenn es an entscheidenden Stellen unter ferner liefen läuft? Dass ich mich als Kirchortkoordinator im Gottesdienst „in Szene“ setze und dadurch auffalle, ist keine Lösung, sondern eine Verzweckung der Liturgie. Aber ich habe mehrfach erlebt, dass mich Menschen fragten, wo ich denn am Sonntag gewesen sei und ich sagen musste: „Ich habe zwei Reihen hinter Ihnen gesessen.“

Das geht getrennt zusammen: Dienst der Leitung und priesterlicher Dienst

Vieles in unseren Gemeinden dreht sich um die Eucharistiefeier. Sie wird aufs Äußerste gestützt und trotz verschiedener Qualitätsmängel in der Feiergestalt und nur wenigen positiven Beispielen wird sie als Gemeindebildend gesehen. Wenn sich die verfasste Kirche nun auf den Weg macht, über Leitung durch Laien nicht nur von Abteilungen in Ordinariaten und Einrichtungen, sondern auch den kirchlichen Epizentren, den Gemeinden, Gedanken zu machen, müssen wir eine Lösung dafür finden, dass diese Leitung mit der unwidersprochen zentralen Bedeutung der Eucharistiefeier zusammengeht.

Ich habe kein Problem damit, der Eucharistiefeier nicht vorzustehen und meine auch nicht, dass wir eine Veränderung hier brauchen. Für mich sind die theologischen Argumente, warum der Eucharistiefeier ein Priester vorsteht einleuchtend, ja, persönlich geistlich wichtig. Diese Leitung gehört dem Priester, hier wirkt er von der sakramentalen Mitte der Christusbegegnung her für Wachstum und Sendung der Kirche. Die Eucharistie ist konstitutiv für das Kirche-Sein der Kirche, weswegen der vom Bischof eingesetzte Repräsentant (sic!) einer Teilkirche der Ortskirche – die Pfarrei – von einem Priester wahrgenommen sein muss. Jetzt aber alle möglichen Leute zu Priestern zu weihen oder den Laienleiter vor den Augen der Gemeinde mehr oder minder originell im Messablauf zu platzieren, ist  keine gute Lösung. Auch, weil es bessere gibt.

Ich stelle diesen Gedanken vor: Die Eucharistie ist Identifikationsfeier der Kirche, aber nicht einer konkreten Gemeinde. Sie ist als Fixpunkt der Liturgie Quelle und Höhepunkt (SC 10), das ist theologisch richtig und geistlich wahr. Aber wofür ist sie Quelle und Höhepunkt? Für den Christenmenschen in seiner Beziehung zu Christus. So richten dann auch SC 11 und 12 den Fokus auf die tätige Teilnahme und ein geistliches Leben des Christenmenschen. Zwar entsteht auch die Lebendigkeit von Gemeinde aus einer lebendigen Christusmitte, aber wie soll man die Lebendigkeit von Gemeinden erklären, die nur in Teilen regelmäßig zur Eucharistiefeier geht oder sich auf gänzlich andere Weise die Christusgegenwart aktualisiert? Von den weltkirchlichen Erfahrungen christuszentrierter aber nicht zwangsläufig eucharistiefixierter Gemeindebildung ganz zu schweigen. Deswegen muss die Beauftragung zur Leitung einer lebendigen Gemeinde nicht die Erlaubnis zur Leitung einer Eucharistie voraussetzen. – Das sind die Gedankenansätze, die wir in Sankt Mauritz hatten und die auch hier und da in der pastoraltheologischen Ekklesiogenese auftauchen (vgl. z.B. Christian Hennecke, Der Kirchenkurs, Echter 2016, S. 29-35). Gut finde ich daran, dass Eucharistie, Leitung und Gemeinde aufs Äußerste gewürdigt, aber in ihrem Zusammenhang von einem verbindenden Amt entkoppelt werden. Was die Verbindung schafft ist: Kollegialität zwischen den Diensten in Loyalität, Solidarität und Spiritualität.

„Die Kirche macht die Gläubigen. Die Gläubigen machen die Gemeinde.“ (Ernst Troeltsch)

Im Mauritzer Konzept von Anfang an angelegt ist, dass die Kirchortkoordination durch Hauptberufliche nur ein Übergangsmodell ist – von einer Sozialform der Kirche zu einer anderen. Die neue Weise, Kirche zu sein, wird genauso den HERRN verkünden in den Lebenswirklichkeiten der Menschen, wird Wege mitgehen und Heimat anbieten. Denn darum geht es ja. Aber es werden Leitungsteams von Frauen und Männern sein, die vor Ort die Gemeinde leiten. Ich finde es spannend, was ich aus anderen deutschen Diözesen dazu schon wahrnehme (vgl. Bistum Osnabrück, Bistum Essen, Erzbistum Freiburg, Erzbistum Hamburg, Erzbistum Köln, Erzbistum Paderborn), weil die satte Masse an Hauptamtlichkeit oder die finanziellen Möglichkeiten für weltkirchliche Kompensation nicht (mehr) da sind. Oder ganz grundsätzlich ein Umdenken stattgefunden hat.

Auch ein jüngst erschienenes Papier des bischöflichen Rates im Bistum Münster mit Merkmalen zur Unterscheidung von Pfarrei und Gemeinde denkt offen: Gemeinden sind demnach überschaubare soziale Einheiten auf der Basis von Beziehung, nicht Institution. Sie haben Christus als ihre Mitte und stehen im Kontakt nach außen. Hauptberufliche begleiten diese Gemeinden im Rahmen einer Pfarrei, die dann so etwas wie Dachorganisation ist. Ich habe keine Sorge, dass wir Menschen für die Leitung der Gemeinden suchen müssen. Wir müssen nur denen, die schon längst da sind, vertrauen, sie beauftragen und senden.

Leitungswechsel ist keine Katastrophe, sondern ein Dienst

Einmal Leitung, immer Leitung – das wäre eine Versuchung. Wenn Leitung ein Dienst ist, gilt es sie immer anhand der Kriterien zu reflektieren, für die sie eingerichtet wurde.

So an dem Kirchort, an dem ich Koordinator war. Ich bin dort nicht mehr Kirchortkoordinator. Nicht weil ich einen schlechten Job gemacht hätte, sondern weil ich diesen Menschen nicht das sein konnte, was sie brauchten. Und so wie jede Fußballmannschaft den Trainer auswechselt, wenn es nicht mehr fluppt, so müssen wir Leitung immer als Dienst verstehen und agieren, wenn es angezeigt ist. Und das war kürzlich, nach drei Jahren, der Fall. Die Koordination hat jetzt ein Priester-Kollege übernommen. Nicht, weil er grad da war oder es letztlich doch das Richtige ist, sondern weil es für diesen konkreten Ort von Kirche in dieser Situation besser ist.

Wobei unser Modell insgesamt in eine Krise gekommen ist. Es gab einen großen Personalwechsel im Team. Die Auswirkungen sind aufgrund anderer Berufsbiographien, Kirchenbilder, Bistumserfahrungen etc. massiv. Unser Modell ist nicht strukturresistent, sondern personenabhängig. Es ist dabei auch dem Zufall – die Personalverantwortlichen sagen: den Zwängen – der Personalbesetzung unterlegen. Es braucht hier ein noch vertieftes Nachdenken über die Möglichkeiten der Organisations- und Personalentwicklung und eine Entscheidung, was für ein Verständnis von lokaler Kirche in einem Bistum grundgelegt ist.

Das Profil des (hauptamtlichen) Laien entwickelt sich in der Breite, nicht in die Höhe

Zum Ende hin ergänzend noch eine Schleife: Neben der Kirchortkoordination war ich in Sankt Mauritz auch mal so etwas wie ein pastoraler Geschäftsführer, eine personalisierte Stabsstelle des leitenden Pfarrers. Ich hatte bestimmte Kompetenzen, besprochene Entscheidungsbefugnisse, habe die Kirchengemeinde in einzelnen Bereichen vertreten. Auch das ist im Blick auf andere Bistümer nichts Neues, gehört aber zum Gesamtbild von Laien in kirchlichen Leitungsämtern. Hier sehe ich Möglichkeiten, nicht nur in Pfarreien zu leiten, sondern auch eine Pfarrei mitzuleiten.

So steht am Ende: Das Feld entwickelt sich. Das Potential für meine Berufsgruppe freut mich. Die Identität der Laien wird sich breiter auffächern, hoffentlich nicht auf hofierte (Ersatz-)Leitung einengen. Das wäre eine Verneigung vor einer pseudoklerikalen Hauptamtlichkeit in Kirche, die ihrer Identität nicht hilft und ihrem Auftrag nicht gerecht wird.

Bild: Pixabay.com, Lizenz CC0 Public Domain


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