Auch im Jahr 2020 stehen wieder Veranstaltungen an, die für Kirchenentwickler*innen interessant sein können und ein Panoptikum der Themen darstellt, welche die „Szene“ gerade beschäftigt. Wir stellen Ihnen hier unsere Auswahl vor – als Inspiration für Sie, zum Mitwissen für Sie.
Die Wahrscheinlichkeit, jemanden von uns bei den vorgestellten Veranstaltungen anzutreffen, ist hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir interessante Tagungen vergessen haben, ist ebenfalls hoch. Geben Sie uns gerne Rückmeldung, wenn wir etwas ergänzen sollen.
Partizipation, Prozess und (Heilige) Schrift (13. und 14. Januar)
Die Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral, ein Kind der deutschen Bischofskonferenz, veranstaltet am 13. bis 14. Januar in Frankfurt/Main die Tagung „KAMP X Change: Partizipation, Prozess und die Schrift“.
„Prozesse der Pastoral- und Kirchenentwicklung beschäftigen derzeit viele Bistümer. Doch wie kann dabei größtmögliche Partizipation gewährleistet werden? Wie kann das prozesshafte Miteinander als geistliches Geschehen erfahren werden? Welche Rolle kann insbesondere die Hl. Schrift dabei spielen?“ Diese Fragen werden in der bereits ausgebuchten Veranstaltung partizipativ angegangen. Es wird also keine Vorträge geben, sondern alle Teilnehmenden bringen ihre Fragen und Erfahrungen mit.
Steffen Debus: In meiner Vorstellung wird es so etwas wie ein Barcamp und ich bin sehr gespannt darauf, hängt doch der „Erfolg“ aus meiner Sicht sehr von der Mischung der Teilnehmenden ab. Aber ich habe einige Themen im Gepäck und hoffe auf Resonanzen und Anregungen.
Jan-Christoph Horn: Ich freue mich auf dieses Netzwerktreffen. Einen inhaltlichen Ertrag erhoffe ich mir davon, geistliche Prozesskultur noch einmal quer denken zu können. Mit Hanns Dieter Hüsch ist der Geist Gottes ja „kompliziert, aber nicht schwer“. Meine Hypothese ist, dass es die Personalität, nicht die Methode ist, die ein Impuls des Heiligen Geistes setzt.
Fresh X-Jahrestagung 2020 (8. Februar)
Die Jahrestagung des Fresh X-Netzwerks findet in diesem Jahr in Magdeburg unter dem Titel „LayMotion“ statt. Schwerpunkt ist das Miteinander von Haupt- und Ehrenamt, das (nicht nur) in Fresh X-Formen eine manchmal spannungsreiche Rolle spielt. Das eintägige Treffen ist geprägt von Inputs und Workshops.
Steffen Debus: Ich schätze an den Jahrestagungen die Möglichkeit, mit Praktiker*innen in Kontakt zu kommen und unmittelbar Erfahrungen austauschen zu können. Die behandelten Themen und Formate sind so vielfältig, dass wirklich für jede*n etwas dabei sein kann. Tipp: Schnell Tickets kaufen, die Tagung wird sicherlich ausverkauft sein.
Wieviel Konstanz braucht Veränderung? (10. bis 13. Februar)
Die evangelische Gesellschaft für Gemeindeberatung richtet jedes Jahr eine Tagung für Berater*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus (die sogenannte D/A/CH-Tagung). Sie fragt im Jahr 2020 unter den Stichworten „System – Resonanz – Emergenz“ nach der Transformationsdynamik von Systemen und der Rolle von Beratung dabei.
Jan-Christoph Horn: Dass Konstanz eine Bedeutung für Veränderungen hat, finde ich als Bodensee-Liebhaber eine gute Idee :-). Die Veranstalter richten ihre Perspektive systemisch aus – auch das gefällt mir sehr. Veränderungsprozessen fehlt es selten an Tools, aber oft an konzeptueller Theorie. Diese wird mit Blick in das Tagungsprogramm v.a. am dritten Tag geliefert.
Willow Creek Leitungskongress (27. bis 29. Februar)
Die Willow-Creek-Kongresse sind bereits seit den 1990er-Jahren Massenveranstaltungen. Im kommenden Jahr wird es wieder ein Leitungskongress sein, der am 27. bis 29. Februar in Karlsruhe stattfinden wird. Interessant dabei ist, dass es Live-Übertragungen an 15 Orte bundesweit geben wird. Alles dreht sich um Leitung und was Menschen dafür brauchen. Das ganze als großes Event und sehr freikirchlich geprägt.
Steffen Debus: Wenn man sich darauf einlassen kann, wird der Kongress bestimmt einiges an Impulsen bereit halten. Eine Teilnahme an einer Live-Übertragung böte die Chance, sich ökumenisch vor Ort zu vernetzen.
Jan-Christoph Horn: Ich bleibe dabei, von den Freikirchen können wir in Sachen Markenauftritt, Kommunikation, Ästhetik und Organisation von Veranstaltungen viel lernen. Verunmöglicht unsere katholische Theologie das?
Beratung irritierter Systeme im Kontext sexueller Gewalt (5. bis 7. März und 29. September bis 1. Oktober)
Bereits dreimal hat dieser Fortbildungskurs für diözesane Supervisor*innen und kirchliche Organisationsberater*innen stattgefunden. Die Beratung irritierter Systeme bleibt auch zukünftig ein wichtiger Bereich. Für die Beratung von durch sexualisierte Gewalt und/oder das Wissen um Opfer und Täter in den eigenen Reihen irritierte Systeme braucht es eigenes Know-How: es ist wichtig zu wissen, was solche Systeme erschüttert, welche besonderen Dynamiken in ihnen wirksam werden und wie Integration gelingen kann.
Die Fortbildung besteht aus zwei Modulen, von denen das erste mehr theoretisch, das zweite mehr praktisch ausgerichtet ist. Die Module finden vom 5. bis 7. März und vom 29. September bis 1. Oktober im Kardinal-Schulte-Haus in Bensberg statt.
Jan-Christoph Horn: Ich habe am dritten Durchgang dieser Fortbildung teilgenommen und bin seitdem in meinem Bistum in diesem Feld als Supervisor und Berater unterwegs. Die Fortbildung vertiefte mein Wissen aus den Präventionsschulungen, ging aber vor allem auf das spezifische Beratungskonzept ein: es gilt, irritierte Systeme mehr zu stützen und zu schützen als sonst üblich. Der Einblick in die Interventionskonzepte anderer Bistümer war sehr bereichernd und hatte Wirkung bei uns in der Diözese.
Steffen Debus: Für mich hat die Teilnahme am Durchgang Drei vor allem eine größere Sicherheit in diesem Themenfeld gebracht. Dies zeigt sich auch schon bei der Vorbereitung eines solchen Settings.
Tranformation der Pfarrei (17. und 18. März)
Das Bistum Essen veranstaltet im Rahmen seines Zukunftsbild-Prozesses eine Tagung zur Transformation der Pfarrei am 17. und 18. März im Tagungshaus „Die Wolfsburg“ in Mülheim an der Ruhr. Das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) hat evaluiert, wie die Pfarreien im Bistum Essen in den letzten Jahren inhaltliche Schwerpunkte gesetzt haben. Die Ergebnisse dieser Evaluation sollen auf dieser Tagung interdisziplinär reflektiert werden, um daraus Schlüsse für die notwendige Transformation von Pfarreien ziehen zu können.
Jan-Christoph Horn: Ich bin erstaunt und ein wenig neidisch, wie strategisch konsistent das Bistum Essen seinen Erneuerungsprozess angeht. Klar wird auch dort nur mit Wasser gekocht und einige Dinge werden ausgeblendet. Aber sie treten die Reise an!
Steffen Debus: Die inhaltliche Schwerpunktsetzung in Pfarreien erweist sich auch im Erzbistum Hamburg als eine große Herausforderung. Ich bin neugierig auf die Erfahrungen des Bistums Essen schauen zu können. Ich vermute, da stecken einige Erkenntnisse drin, die bundesweit hilfreich sein könnten.
Forum OE (23. und 24. März)
Das Forum_OE ist ein Zusammenschluss einiger evangelischer Organisationen aus dem Bereich Kirchenentwicklung, die für den 23. und 24. März in Stuttgart zu einer Tagung einladen. Im Mittelpunkt stehen dort drei Fragen:
- Wie geschieht Veränderung im Reich Gottes?
- Was ist das Ziel von Veränderung? Wozu Veränderung?
- Welche Kompetenz braucht es, um konstruktiv agile Prozesse zu gestalten?
Methodisch wird es viele kurze Impulse geben und dann die Chance, sich dort kollaborativ und partizipativ selbst einzubringen. Einer der Veranstalter, Tobias Faix, hat dies in einem Blogpost beschrieben.
Steffen Debus: Interessant bei dieser Veranstaltung ist der Fokus auf Veränderung im Bezug auf das Reich Gottes. Reizen würde mich die Abendveranstaltung „Show des Scheiterns“, denn ich erlebe verbal oft eine Kultur des Fehlertoleranz, aber selten eine Praxis dessen.
Komplementärberatung von Immobilien- und Pastoralentwicklung (30. März bis 1. April)
Die „Nordkonferenz“ der katholisch-diözesanen Organisationsberater*innen bietet den eigenen Berater*innen einmal im Jahr eine Fortbildung an. In Jahr 2020 widmet sie sich der Schnittstelle zwischen der Beratung von Immobilienprozessen und pastoralen Entwicklungsprozessen. Sie nimmt damit ein Thema auf, das sich in vielen Diözesen und Landeskirchen derzeit stellt:
- Was verbindet einen Immobilienprozess mit einem pastoralen Entwicklungsprozess?
- Welche Anforderungen stellen Immobilienprozesse an Beratung?
- Worauf ist zu achten? Welches Fachwissen brauchen wir? Wo sehen wir die Herausforderungen?
Steffen Debus: Wenn ich auf die gerade beginnende Vermögens- und Immobilienreform im Erzbistum Hamburg schaue, dann kommt diese Fortbildung genau zur richtigen Zeit. Wir werden viele Entscheidungs-, Abschieds- und damit Trauerprozesse begleiten dürfen und dafür braucht es wirklich Know How.
Jan-Christoph Horn: Ich verspreche mir durch die Fortbildung eine Profilschärfung von pastoraler Fachberatung für Immobilienentwicklung einerseits, systemischer Prozessberatung andererseits. Beides ist nicht identisch, beides gehört zusammen.
„Kirche scheint ein Verb zu sein“ – Train the Trainer (31. März bis 2. April)
Diese interne Fortbildung in Limburg ist entstanden aus einer weltkirchlichen Lerngruppe. Vor dem Hintergrund der Arbeit des Pastoralzentrums Bukal/Philippinen richteten sich die Veranstaltungen an diözesane Kirchenentwickler-Teams. In diesem Jahr (wie auch 2019) wird die Gruppe von Mechthild Reinhard, Gründerin der Systelios Klinik, begleitet. Inhaltlich geht es um die Frage, wie ein Kulturwandel gelingen kann, Organisationen hin zu lebendigen Organismen zu entwickeln.
Steffen Debus: Der große Gewinn dieser Lernpartnerschaft verschiedener Teams ist das große Vertrauen, das sich aufgebaut hat. Es ermöglicht, miteinander Fragen der Kirchenentwicklung zu besprechen und zu diskutieren, voneinander zu lernen. Die Impulse von Mechthild Reinhard geben dem Ganzen dann eine Richtung. Ich freue mich sehr darauf.
Jan-Christoph Horn: Positiv hervorzuheben ist, dass die Veranstalter betonen, dass nicht Einzelpersonen, sondern nur „Bistumsteams“ teilnehmen können. Statt Einzelkämpfer ein Schwarm – eine eigene Weise von Intelligenz, die institutionell kaum zu „bändigen“ und deren Tun („Wir machen einfach mal“) kaum zu dämpfen ist. Kleine Pitches für ein Lenkmanöver des Tankers.
Wir und hier-Kongress (3. und 4. April)
Der Wir&Hier-Kongress ist eine Veranstaltung der Diakonie und der EKD und findet vom 3. bis 4. April in Hamburg statt. Der Fokus liegt auf dem Konzept der Sozialraumorientierung, das theoretisch, praktisch und mit Exkursionen erfahren werden kann. Bereits am 2. April gibt es ein wissenschaftliches Symposium, das dem Kongress vorangestellt ist und unabhängig besucht werden kann. Am Abend des 2. April gibt es einen Abend der Begegnung, der bestimmt nicht zufällig an Kirchentage erinnert. Der Kongress selbst ist am ersten Tag von der theoretischen Einordnung und von Workshops bestimmt, während der zweite Tag die Praxis durch Exkursionen in den Blick nimmt.
Steffen Debus: An diesen drei Tagen ist wirklich alles dabei: Wer sich einen guten Überblick über den theoretischen und praktischen Stand der Sozialraumorientierung machen möchte, ist auf diesem Kongress (inkl. Symposium) gut aufgehoben. Wenn Kirche die Menschen und ihr Leben (zukünftig) immer wichtiger nimmt, dann ist Sozialraumorientierung einer der zentralen Aspekte zukünftiger Pastoral.
Zeitfenster-Konferenz „Konstant neu“ (16 Mai)
Zeitfenster ist eine im Jahr 2010 gegründete Gemeinde der Innenstadtpfarrei Franziska von Aachen. Nach zehn Jahren wollen die Macher*innen nun ihre Erfahrungen reflektieren und stellen sich die Frage: Innovation in Kirche – systemerhaltend oder systemverändernd?
Die Konferenz dazu mit dem Titel „Konstant neu“ findet am 16. Mai im Tuchwerk in Aachen statt und stellt die kirchenpolitisch wichtige Frage, ob Innovationen in Kirche Frischzellenkur oder Deo sind.
Steffen Debus: Hier wird es auf einmal sehr (kirchen)politisch. Auf die vielfältigen Antworten darf man sehr gespannt sein.
Zwischen Planung und Unverfügbarkeit. Lernen für eine Kirche auf dem Weg (3. und 4. September)
Unter diesem Titel veranstaltet das Theologisch-Pastorale Institut (der Bistümer Fulda, Limburg, Mainz und Trier) am 3. und 4. September eine Tagung aus Anlass des 50jährigen Jubiläums. Das TPI möchte nach vorne zu schauen. Die Tagung im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden/Naurod wird sich mit Vorträgen, Gesprächsgruppen, Workshops und einem Barcamp den Fragen von Teilhabe, Verantwortung und Selbstorganisation stellen. Ab Freitagnachmittag kann dann auch noch mit gefeiert werden.
Steffen Debus: Ein mittlerweile schon klassisches Konferenzformat: es werden hochkarätige Vorträge, Workshops und Beteiligungsformate kombiniert, so dass eine kurzweilige Gesamtmischung herauskommen wird. Ich bin gespannt, wie viel Zeit fürs Netzwerken bleiben wird.
Prüft alles. Behaltet das Gute. Kongress zu Pastoral und Evaluation (10. bis 12. November)
Alle paar Jahre veranstaltet das Zentrum für angewandte Pastoralforschung in Bochum einen Kongress, bei dem u.a. Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen vorgestellt werden. Der nächste und damit dritte ZAP-Kongress findet vom 10. bis 12. November in Bochum statt. In der Kongress-Ankündigung werden versprochen: Theologische Vertiefung, Kennenlernen und Ausprobieren von Methoden/Tools, Internationale Erfahrungen; kritische Debatten und Einbezug der Teilnehmendenerfahrungen. Weitere Infos sollen Ende 2019 auf der (furchtbar veralteten) Webseite des ZAP veröffentlicht werden.
Jan-Christoph Horn: Die ZAP-Kongresse verbinden Pastoraltheologie, wissenschaftliche Grundlagenforschung und Kirchenentwicklung auf profunde Weise. Mit dem Thema Evaluation ist ein sehr wichtiger Marker gesetzt: Nicht nur über Kirchenentwicklung reden und allerlei beginnen, sondern Dinge auch zu Ende bringen und lernen. Ich bin dabei, hoffe aber auf weniger Selbstdarstellung als beim letzten Mal.
Foto: Isaac Smith @Unsplash