Äpfel, ordentlich sortiert in einer Kiste

Qualität in der Pfarrei

Jeden Tag ein bisschen besser!

Diesen Anspruch formuliert eine Lebensmittelkette und will damit ihren Kunden verdeutlichen: wir geben alles, damit Sie bei uns zufrieden einkaufen. Ein Anspruch, der auch im pastoralen Dienst seinen Ort haben kann? Es ist nicht unumstritten, ob Methoden aus der Dienstleistungsbranche – Begriffe wie Kundenorientierung und Qualität – im pastoralen Tun überhaupt Anwendung finden dürfen. Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht nur erwägenswert sondern durchaus notwendig ist, wenn wir als „Organisation Kirche“ professionell in unserer Gesellschaft präsent und relevant seien wollen.

Das „Unternehmen“ Pfarrei

Pfarreien sind komplexe Organisationen, die – ähnlich der übrigen Non-Profit-Organisationen – aufgrund geringer werdenden Ressourcen und gestiegenen Anforderungen des Umfeldes und der „Kunden“ über ihre „Produkt- und Dienstleistungsqualität“ nachdenken müssen. Die Erfahrungen und Methoden aus dem Qualitätsmanagement können dabei eine Hilfestellung sein, um als Pfarrei einen höhere Zufriedenheit und Akzeptanz zu erzeugen.
Pfarreien als Träger von Kindertageseinrichtungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Pflegeheimen und zum Teil auch Krankenhäuser betreiben in diesen Bereichen oftmals bereits ein professionelles und zertifiziertes Qualitätsmanagement, um z.B. gesetzlichen Anforderungen aber auch der Marktsituation gerecht zu werden.
Aber auch die Pfarrei als Träger der pastoralen Arbeit unterliegt steigenden Anforderungen der Gesellschaft in Form von Gesetzen und Verordnungen (z.B. Präventionsschutzkonzepte), der Kunden (individuelle Bedürfnisse) und der Organisation (geringer werdende Finanz- und Personalressourcen). Dennoch sind Ansätze für ein Qualitätsmanagement auf Ebene der Pfarrei als pastorale Einheit (Kirchengemeinde) in der Literatur und Praxis kaum zu finden.

Getaufter oder Kunde?

Vielleicht fällt es uns als Kirche so schwer den Qualitätsbegriff zu nutzen, da Qualität immer in Abhängigkeit zur Kundenzufriedenheit steht. Aber darf Kirche von Kunden sprechen?
Für die Anwendbarkeit eines Qualitätsmanagements in der pastoralen Arbeit ist der Begriff der Kundenorientierung besonders zu betrachten. Der Begriff des „Kunden“ ist nur bedingt im Verständnis der Kirche anwendbar. Als Getaufte haben Personen immer Anteil an der Sendung der Kirche und sind selber ein Teil von Kirche. Gleichzeitig sind sie jedoch auch Empfänger einer Dienstleistung, eines pastoralen Angebotes, welches durch die „Organisation Kirche“ erbracht wird. Für die Planung eines Qualitätsmanagementsystems für eine Pfarrei ist von daher zu diesem Aspekt die jeweilige Rolle und Erwartung zu berücksichtigen. Ein Getaufter innerhalb einer Pfarrei kann je nach Erwartung, Selbstverständnis und eigenem Engagement zugleich Leitungsverantwortung tragen (z.B. Mitglied des Kirchenvorstands), ehrenamtlicher Mitarbeiter (z.B. im Caritasbüro) und Kunde (z.B. als Teilnehmer einer Bildungsveranstaltung) sein. In allen diesen Funktionen ist der Getaufte „Glied der Kirche“ und gleichzeitig „Kunde der Organisation“. Der Fokus der Kundenorientierung kann in diesem Verständnis jedoch nur auf den Kunden der Organisation gerichtet werden, welcher wiederum aus seinen je unterschiedlichen Rollen differenzierte Erwartungen und Anforderungen an die Organisation stellt.1 Kundenorientierung im kirchlichen Kontext ist an den Methoden und Erkenntnissen der Soziologie (z.B. Sinus-Studie) und des Qualitätsmanagements festzumachen, orientiert sich aber zugleich auch immer „an der Praxis Jesu und seiner Frage: ,Was willst du, soll ich dir tun? ́ (Mk10,51)“.2

Visitationen sind ein Instrument der Qualitätssicherung

Bei allen Überlegungen zur Qualität und zum Qualitätsmanagement ist darauf hinzuweisen, dass es mit dem Instrument der Visitation bereits seit sehr langer Zeit einen Ansatz von Qualitätsmanagement für Pfarreien gibt. Je nach Form und Ausprägung der jeweiligen Visitationen innerhalb eines Bistums, kann dieser Prozess Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit abbilden, Führung unterstützen und Lernen ermöglichen. Das Erzbistum Freiburg hat zum Beispiel ein solches Programm zur Visitation und Gemeindeentwicklung erstellt.3
Die Anwendung weiterer Methoden und Ansätze eines Qualitätsmanagements innerhalb einer Pfarrei kann dazu beitragen, den Auftrag der Organisation (ideelle „Mission“ der Organisation) besser zu erfüllen, vorausgesetzt innerhalb der Pfarrei gab es eine Verständigung und Festlegung gemeinsamer Werte und Ziele (Leitbildprozess).

Qualitätsmanagement als TQM in der Pfarrei

Während Qualitätsmanagement in der Pfarrei aktuell im Wesentlichen die Non-Profit-Organisationen wie z.B. die Kindertageseinrichtungen umfasst, würde sich ein Qualitätsmanagement im Sinne des total-quality-managements auf alle Ebenen und Dimensionen einer Pfarrei beziehen. Hierbei müssen die Leitung einer Pfarrei (leitender Pfarrer, Pfarreirat und Kirchenvorstand) das gemeinsame Interesse vertreten, über ein Qualitätsmanagement in sämtliche Bereiche der Pfarrei einzuwirken und ein Bewusstsein geschaffen werden, dass alle (ehrenamtlichen und hauptamtlichen) Mitarbeiter für Qualität verantwortlich sind.

Qualitätsmanagement in der pastoralen Praxis

Ein Modell des Qualitätsmanagements, das diese Facetten und auch die kirchliche Besonderheit des Kundenbegriffes abbilden kann, ist aus meiner Sicht das Modell der European Foundation of Quality Managemen (EFQM), auf welches ich in einem nächsten Beitrag eingehen werde.

 

 

1 vgl. Fischer, M. (2011). Die Qualität der Seelsorge. Können Gemeinden von Qualitätskonzepten lernen? In: Lebendige Seelsorge, 2011 (Heft 4). Seite 296 ff.
2 Fischer, M. (2012). Wie geht Qualitätssicherung in der Kirche? In: Lebendige Seelsorge, 2012 (Heft 4). Seite 277
3 LEVI – Programm zur Visitation und Gemeindeentwicklung im Erzbistum Freiburg


Foto: © Sebastian Reimann


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