Mehr Vielfalt bitte! – Über die mono-disziplinäre Hauptamtlichkeit in Kirche

Eine Organisation lernt, indem sie sich immer wieder irritieren lässt, indem sie bewährte Routinen und Muster verlässt und sich bewusst auf neue Sichtweisen einlässt. Dazu braucht es aber Menschen, die diese neuen Sichtweisen in die Organisation einbringen, idealerweise „kulturfremde“ Menschen, mit anderem Hintergrund, andere Ausbildung etc.

Wirtschaftsunternehmen, die dies erkannt haben, versuchen dies z.B. durch einen gesunden Mix der Professionen zu ermöglichen und Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen in die Belegschaft und ins Management zu holen: Geisteswissenschaftler, Ingenieure, Betriebswirte, Naturwissenschaftler etc.

Und in Kirche? Kirche hat hier ein strukturelles Defizit: Sie ist mono-disziplinär aufgestellt. In Pastoralteams sitzen fast ausschließlich Theologen. Religionspädagogen erscheinen schon als erfrischende Alternative. Aber wo sind die Nicht-Theologen?

Noch größer erscheint mir das strukturelle Defizit an den entscheidenden Stellen von Leitung und Macht: Dort gibt es nur Priester: Zölibatär lebende Männer, Diplomtheologen, im Bischofsamt meist noch Dr. theol. Die Zugangswege zur Macht in Kirche sind eng, Quereinsteiger selten bis unmöglich.

Das der Quereinstieg in Kirche grundsätzlich möglich ist zeigt sich übrigens bei den Diakonen im Zivilberuf: Sie sind für mich ein gutes Beispiel, wie auch Nicht-Theologen in der Pastoral tätig sein können. Da sie oftmals einen nicht-theologischen Zivilberuf ausüben, sind sie meist Quereinsteiger in Kirche.

Und im Hauptberuf? Hand auf’s Herz, liebe Personaler: Wäre eine Rekrutierung für kirchliche Berufe außerhalb der Theologie überhaupt denkbar? Was, wenn wir das Stellenschema von Pastoralreferent, Gemeindereferent, Priester etc. mit entsprechend engen Zugangswegen einfach mal verändern?

Natürlich: Für spezielle Fachaufgaben braucht es auch spezielle Fachkräfte. Aber es könnte schon hilfreich sein zu fragen, welche Fähigkeiten vor Ort benötigt werden und nicht welche Berufsgruppe.

Wenn sich der in „Gemeinsam Kirche sein“ skizzierte Grundgedanke durchsetzt, dann wird sich das Anforderungsprofil an pastorale Mitarbeiter eh massiv ändern: Vom Versorger zum Charismenförderer. Ein guter Anlass, neu über die Personalentwicklung in der Pastoral nachzudenken und auch mehr Quereinsteiger ins Boot zu holen.

Aber ist es überhaupt reizvoll für Nicht-Theologen in Kirche zu arbeiten? Wenn ich als Diakon im Zivilberuf nun in den Hauptberuf als Diakon wechseln würde, so würde ich, da ich kein Diplom in Theologie vorweisen kann, tiefer eingruppiert, als die Diplomtheologen. Nicht sehr verlockend.

Ich glaube, es wäre für Kirche sehr hilfreich, ihre Belegschaft und ihr Management vielfältiger aufzustellen. Denn es ist gerade die Vielfalt, die „den Unterschied macht“ und Entwicklung ermöglicht: Männer und Frauen, Theologen und Nicht-Theologien, Eigengewächse und Quereinsteiger, …

Teilweise geschieht es schon: Es ist erfrischend zu sehen, wie in den Ordinariaten mehr und mehr Leitungsstellen auch mit Laien besetzt werden. Ich kann nur hoffen, dass dies als Bereicherung empfunden wird und nicht als Notlösung, weil halt nicht mehr so viele Priester verfügbar sind.

Aber es ist nicht damit getan, nur „systemfremde“ Menschen einzustellen. Ohne einen bewusst geschaffenen Raum, in dem sie wirken können und in dem Neues ausprobiert werden darf, wird es nicht gehen. Es braucht auch eine Kultur des Lernens und des Sich-irritieren-lassens. Und das ist vermutlich der weit aus größere Schritt für die Kirche.

 


Foto: (C) Michael Bonert


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